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Verpflichtende Belegschaftsversammlung

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Die verpflichtend angeordnete Belegschaftsversammlung (engl: Captive Audience Meeting) ist laut der Sozialforscherin Kate Bronfenbrenner (Cornell University) in den USA die am häufigsten angewandte Methoden des Union Busting.[1] Ziel der Versammlungen, die meist während der Arbeitszeit stattfinden (in manchen Fällen auch danach), ist es, Belegschaften gezielt zu beeinflussen, einzuschüchtern und gegen arbeitger-unabhängige Organisierungsversuche und Arbeitskampfmaßnahmen aufzubringen.[2]

Verpflichtende Belegschaftsversammlungen werden auch in Deutschland seit 2001 standardmäßig angewandt und von Union Busting-Dienstleistern insbesondere aggressiven Kanzleien angeraten, die sich wie Schreiner + Partner, Naujoks und andere erkennbar am US-amerikanischen Union Busting orientieren. Ziel ist es Neugründungen von Betriebsräten zu verhindern, existierende Betriebsräte zu destabilisieren oder zu Fall zu bringen, falls das nicht möglich ist, Betriebsratsmehrheiten zu erringen oder auch Streiks zu unterminieren.

Die verpflichtende Belegschaftsversammlung wird häufig auch als Konkurrenzveranstaltung des Managements zur Betriebsversammlung durchgeführt, die der Betriebsrat gemäß §43 Betriebsverfassungsgesetz in der Regel vierteljährlich organisiert.

Häufig finden gleich mehrere angeordnete Versammlungen statt, vor Betriebsratsgründungen sogar mehrmals in der Woche.

In einer zugespitzten Situation können verpflichtend angeordnete Belegschaftsversammlungen unappetitliche, demütigende Formen annehmen, die eines demokratischen Rechtsstaates unwürdig sind und an Hexenjagden, Gruppengespräche in Psychosekten, "Pegida im Betrieb" oder Tribunale in diktatorische Regimen erinnern.

Mikro-Targeting: Untergruppen bilden

In der fortgeschrittenen Form versammelt das Management gezielt einzelne Abteilungen, Unter-Abteilungen oder gar speziell zusammen gestellte Gruppen, etwa nach Kriterien der Herkunft (nur die Bulgaren, Russlanddeutschen, Italiener etc.), des Geschlechts oder der vermuteten Einstellung (z.B. Wackelkandidaten), der Vertragsart (befristete Verträge, Leiharbeiter, Festangestellte). So bekommt jede Gruppe etwas anderes zu hören, oft werden die Gruppen gegeneinander ausgespielt und aufgehetzt.[3]

Bewertung

Es handelt sich um eine schmutzige Methode.

Da die verpflichtend angeordnete Belegschaftsversammlung vom Management geplant, durchgeführt und überwacht werden, sind sie von einem demokratischen Standpunkt her abzulehnen. Die Teilnahme ist unfreiwillig, die Machtverhältnisse sind vollkommen ungleich verteilt und basieren auf Abhängigkeit und der Angst vor Saktionen bzw. die Erwartung von Belohnung und Beförderung.

Gleichwohl soll die verpflichtende Belegschaftsversammlung eine Mehrheitsmeinung der Belegschaft simulieren. Tatsächlich beeinflusst sie die Stimmung, das Klima und die Kampfmoral der Konfliktparteien stark und ist geeignet die unabhängige Organisierung innerhalb der Belegschaft quasi in den Untergrund zu drängen.

Zumeist trägt die Methode zu einer extremen Polarisierung in der Belegschaft bei, die sich in vielen Firmen mittelfristig negativ auf Produktivität, Arbeitsmoral, Krankenstand und Fluktuation auswirkt.

Ablauf + Muster

Die Durchführung der Versammlungen wird zumeist vom Management, internen Stabsstellen sowie Beratern zumeist intensiv geplant, mitunter regelrecht orchestriert.

Es sind im Groben zwei Varianten erkennbar:

a) Empört euch! Pegida im Betrieb

Aggressive Protagonisten aus der Belegschaft treten als Stimmungsmacher, Lautsprecher und Zwischenrufer auf.

  • Oft verteilen sie sich strategisch im Raum.
  • mitunter erhalten sie Mikrofone, die anderen vorenthalten bleiben.
  • andere feuern an, agieren als Claquere.

Gewerkschafter, aktive Betriebsratsmitglieder und engagierte Beschäftigte sind von vorneherein in der Defensive, mitunter müssen sie sich rechtfertigen, werden niedergebuht, ausgelacht und beschimpft.

b) Kreide fressen: Wir haben verstanden

Manager oder gar der Firmenchef geben sich reumütig, geben Fehler zu geloben Besserung. Den gewerkschaftsnahen Beschäftigen und aktiven Betriebsratsmitgliedern wird ins Gewissen geredet, man drückt auf die Tränendrüse.

Einschüchterung

Häufig notieren Vertreter des Managements, wer sich solidarisch zu den angegriffenen Personen, dem Betriebsrat oder der Gewerkschaft verhält oder äußert. Das geschieht oft demonstrativ, mitunter auch verdeckt.

Sinn & Zweck

Ziel ist es, Stimmung zu machen, die Meinungshoheit zu erringen, negative Emotionenzu schüren und dadurch die Gegenseite zu demoralisieren und in die Defensive zu drängen.

Unentschlossene oder ängstliche Teile der Belegschaft sollen abgeschreckt werden, sich für ihre Rechte und Interessen zu engagieren.

Ziel ist es auch, einzelne Personen -- häufig den Betriebsratsvorsitzenden oder treibende Kräfte einer Betriebsratsgründung -- zu diskreditieren, zu mobben, zu zermürben und zu Fehlern zu verleiten.

Rechtslage

Gegenmaßnahmen & Strategien

Quellen & Nachweise

  1. Kate Bronfenbrenner: No Holds Barred—The Intensification of Employer Opposition to Organizing, Economic Policy Institute, Mai 2009, S. 26, https://www.epi.org/publication/bp235/
  2. Werner Rügemer / Elmar Wigand: Union-Busting in Deutschland Die Bekämpfung von Betriebsräten und Gewerkschaften als professionelle Dienstleistung, OBS-Arbeitsheft 77, Frankfurt 2014, S.17f., https://arbeitsunrecht.de/produkt/union-busting-in-deutschland-broschuere/
  3. Werner Rügemer / Elmar Wigand: Die Fertigmacher, PRV Köln 2014, S.43, https://arbeitsunrecht.de/produkt/die-fertigmacher/