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Wilder Streik bei Gorillas: We want Santiago back!

Aus UnionBustingWiki
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Wilder Streik im Juni 2021

In den Tagen nach dem 11. Jun1 2021 streiken die Fahrer mehrerer Berliner Warenlager des Lieferdienstes Gorillas. Sie setzen sich für die Wiedereinstellung eines Kollegen ein, dem am Vortag gekündigt wurde, weil er zu spät zu seiner Schicht gekommen sei.

„Solidarity with Santiago“ steht groß auf einem Banner geschrieben, das die rund 40 streikenden Fahrer vor einem Lager in Prenzlauer Berg aufgehängt haben. Ein Sprecher des Gorillas Workers Collective gab gegenüber dem Magazin Gründerszene an, dass der betroffene Fahrer Santiago bislang noch nie verwarnt wurde.

Weil er sich noch in der Probezeit befunden habe, habe er ohne Verwarnung entlassen werden können. Die Fahrerinnen und Fahrer würden bei Gorillas mit Jahresverträgen angestellt, die Probezeit betrage dabei sechs Monate.

Weitere Forderungen des Kollektivs sind es deshalb, die Probezeit zu verkürzen und ein Verwarnungssystem einzuführen. So soll verhindert werden, dass auch Angestellte in der Probezeit ohne vorige Ankündigung entlassen werden können.

Am Rande der Veranstaltung sagten Gorillas-Mitarbeiter, die anonym bleiben wollen, dass es ihnen um mehr gehe als nur den konkreten Einzelfall. Denn in der Vergangenheit sei es immer wieder vorgekommen, dass Leute ohne erkennbaren Grund entlassen wurden.[1]

Rechtliche Situation wilder Streiks

Im Zusammenhang mit den Streiks lohnt es sich einmal die rechtliche Situation wilder Streiks anzuschauen, die oft fälschlicherweise als illegal wahrgenommen werden.

Dies hängt jedoch von den konkreten Umständen ab. »Nach europäischem Recht – genauer: nach der Europäischen Sozialcharta (ESC) – sind wilde Streiks legal«, so Rechtsanwalt Benedikt Hopmann im Gespräch mit der Zeitung junge Welt.

«Denn zu Recht betrachtet das europäische Recht die Koalitionsfreiheit als Ausgangspunkt für Arbeitskämpfe. Und in dieser Logik sind nicht nur Gewerkschaften Koalitionen.

Auch Gruppen von Beschäftigten eines Betriebes, die sich – vielleicht sogar spontan – zusammentun, um ihre Interessen zu erstreiken, bilden eine Koalition.« Hopmann rät, bei wilden Streiks einen Verhandlungspartner für die Gegenseite unter den Streikenden zu benennen.

Ein weiterer Glaubenssatz des deutschen Richterrechts, der im Arbeitskampf bei Gorillas relevant sein könnte, ist das Dogma, dass Arbeitskampfforderungen tariffähig sein müssen.

Zwei der insgesamt drei Forderungen des Gorillas-Streiks lassen sich sicherlich problemlos in einen Tarifvertrag gießen, aber die dritte Forderung, die Rücknahme der Kündigung eines Kollegen, eher nicht.

Als tiefere Ursache für den Streik benennen die Gorillas-Beschäftigten das gesamte prekäre, menschenfeindliche System bei Gorillas. Die Kündigung ihres Kollegen Santiago war aber nun einmal der berühmte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte.

Nach einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte müssen nicht alle Forderungen zulässig sein. Allein die Tatsache, dass eine Gruppe von Beschäftigten im Betrieb eine Forderung für streikwürdig hält, legalisiert diese,

egal, ob tariffähig oder nicht, wenn gleichzeitig auch tariffähige Forderungen aufgestellt werden.[2]


Nachweise / Quellen

  1. Sarah Heuberger, Lisa Ksienrzyk, GORILLAS-FAHRER STREIKEN, WEIL EINEM FAHRER GEKÜNDIGT WURDE [1]Business Insider, 11.6. 2021
  2. Lukas Schmolzi, Falsche Glaubenssätze[2]junge Welt, 22.6. 2021